Das Berufsbild des Aktuars
Der deutsche Begriff "Aktuar" ist dem angelsächsischen "actuary" entlehnt. Dahinter verbergen sich hoch qualifizierte Mathematiker mit Zusatzausbildung. Ein Aktuar ist ein wissenschaftlich ausgebildeter Experte, der mit mathematischen Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Finanzmathematik Fragestellungen aus den Bereichen Versicherungs- und Bausparwesen, Kapitalanlage und Altersversorgungssystemen analysiert und unter Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeldes Lösungen entwickelt.
Seit der Deregulierung des europäischen Versicherungsmarktes zu Beginn der 90er Jahre ist der Verantwortungsbereich der Aktuare wesentlich erweitert worden. Die Beschäftigungsschwerpunkte liegen in der Versicherung- und Finanzwirtschaft, der Unternehmensberatung, aber auch bei Behörden und Verbänden. Alternativ sind Aktuare als Freiberufler und Sachverständige tätig. Im allgemeinen hat der Beruf des Aktuars durch seine Aufgabenstellung vielfältige Berührungspunkte mit anderen Berufen und setzt enge Kooperation mit Juristen, Marketingfachleuten, Betriebswirten - um nur einige zu nennen - voraus. Generell sind Aktuare für die Einschätzung von Risiken und die Erfüllbarkeit der versprochenen Leistungen verantwortlich.
Durch die umfassende Ausbildung sind Aktuare in sehr unterschiedlichen Bereichen und Unternehmen tätig. Viele dieser Unternehmen sind international ausgerichtet, so dass Aktuare einer Tätigkeit im Ausland nachgehen können oder von ihren Unternehmen für gewisse Zeit ins Ausland entsandt werden. Dementsprechend sind die Berufsaussichten ausgezeichnet. Aktuare sind als leitende Angestellte mit Führungsaufgaben betraut und können auch die Leitung eines Unternehmens übernehmen.
In der Versicherungsgesellschaft sind Aktuare u. a. im Produkt-Controlling tätig, welches die Festlegung der versicherungsmathematischen Grundlagen, Marktbeobachtung und -analyse, Prämienkalkulation und Deckungsbeitragsrechnung umfasst.
Weiterhin sind Aktuare für die Gestaltung der Tarife und ihre laufende Anpassung verantwortlich und wirken an der Unternehmensplanung mit. Dabei müssen die relevanten Rechtsvorschriften und Gesetze beachtet werden.
An der Erstellung der Jahresbilanz sind Aktuare maßgeblich beteiligt. Neben Berechnung der Zahlenwerte sind finanzielle Prognosen zu erstellen. Zusätzlich bereiten Aktuare dieses Zahlenmaterial für die unternehmensinterne Buchhaltung auf. Das Unternehmensergebnis wird nach der Erstellung der Bilanz vom Aktuar nach bestimmten Gesichtspunkten analysiert. Dabei sind vielfältige Rechtsvorschriften und Bilanzrichtlinien zu beachten.
Im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung formulieren Aktuare Konzepte für DV-Programme für sehr unterschiedliche Anwendungsgebiete wie z. B. Bedarfsanalysen, Angebotserstellung oder zur Prognoseerstellung. Dabei wirken sie an der Entwicklung und Pflege der Software mit.
Ein weiteres Betätigungsfeld liegt in der Steuerung der Kapitalanlagen - des Vermögens - eines Unternehmens. Hierbei müssen sowohl Risiken eingeschätzt und berechnet als auch Gewinnaspekte betrachtet werden. Neben der Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten, z. B. Aktien, erarbeiten Aktuare Konzepte für Anlagestrategien. Auch die Realisierung und Überprüfung der entwickelten Strategie gehört dazu. Hier sind Aktuare sowohl in einem Versicherungsunternehmen, einer Bank oder einer Kapitalanlagegesellschaft beschäftigt.
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sind Aktuare in der Regel freiberuflich oder als Mitarbeiter eines selbständigen Beraters tätig. Sie beraten und unterstützen das jeweilige Unternehmen bei der Einrichtung einer betrieblichen Versorgungseinrichtung und berechnen die zu erwartende wirtschaftliche Belastung eines Unternehmens für diese Betriebsrente sowie die Höhe der Rentenzahlungen. Das Ergebnis wird in der Form des versicherungsmathematischen Gutachtens dargestellt.
Berufsständische Versorgungswerke, wie z. B. die Berufsgenossenschaften, werden von Aktuaren in ähnlicher Weise betreut und beraten wie die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung.
Als Bausparmathematiker arbeiten Aktuare für Einrichtungen des Bausparwesens. Ähnlich wie im Versicherungswesen sind Bausparaktuare mit umfangreichen Aufgaben betraut. Produkt-Controlling, Entwicklung von Bauspartarifen und DV-Aufgaben erwarten sie. Sie berechnen und beraten bei komplexen Spar- und Kreditfällen. Insbesondere sind sie in diesem Gebiet mit grundsätzlichen Fragen der Wohnungsbaufinanzierung befasst.
Auch der öffentliche Dienst bietet den Aktuaren Beschäftigungmöglichkeiten, vor allem bei Aufsichtbehörden. Hier wäre insbesondere das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zu nennen. Die versicherungsmathematischen Problemstellungen sind denen der Privatwirtschaft gleichartig, jedoch sind Aktuare hier zusätzlich sehr intensiv in die Ausarbeitung von Richtlinien und Vorschriften involviert. Einen Sonderfall stellt die Sozialversicherung dar, welche die Aktuare vor allem mit der Problematik der Finanzierbarkeit konfrontiert. Insbesondere sind hier mittel- und langfristige Beitrags- und Leistungsprognosen zu erstellen, die Analyse statistischer Daten und deren Interpretation im Hinblick auf die Entwicklung der Bevölkerung und der allgemeinen Lebenserwartung zu erarbeiten sowie die Finanzierung aktueller sozialpolitischer Vorgaben des Gesetzgebers zu berechnen.
Zum Schluß ist noch die Betätigung in Lehre und Forschung zu erwähnen. Die Aktuare lehren und forschen an den entsprechenden Instituten für Versicherungswissenschaft und Mathematik. Hier tragen sie zur Klärung von bevölkerungspolitischen, soziologischen, wirtschaftlichen und finanziellen Problemstellungen in Staat und Wirtschaft durch ihre spezifischen mathematischen Methoden entscheidend bei.
Insgesamt zeigen sich für Aktuare vielfältige und interessante Berufsbilder. Voraussetzung für die Tätigkeit als Aktuar ist ein mathematisches Studium. An einigen Universitäten können bereits während des Studiums versicherungsmathematische Schwerpunkte gewählt werden. Nach dem Studium wird von der Deutschen Aktuar-Akademie (DAA) eine berufsbegleitende Ausbildung angeboten, in deren Rahmen die Prüfungen bei der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) abgelegt werden. Durch die Mitgliedschaft in der DAV wird der besondere Sachverstand als Aktuar ausgewiesen.